5. Juni 2020

Gesunde Lebensmittel aus gesunden Strukturen

„Die Gewalt in der Welt ist struktureller Natur und findet sich in zynischen Marktmechanismen und einer gewissen Grunddenke wieder. Wir möchten diese durchbrechen – mit schriftlichen Verträgen und langfristigem Vertrauen. Exemplarisch soll ein anderes Wirtschaftsmodell entstehen – nach dem Prinzip des empathischen Wirtschaftens und der Pflege gesunder Strukturen.“

– Boris Voelkel –

Boris Voelkel leitet unseren Einkauf. Nach dem Modell „gesunde Lebensmittel aus gesunden Strukturen“ steht für ihn die Optimierung folgender Aspekte im Fokus:

„Langfristigkeit – das bedeutet Rohwaren Jahr für Jahr verlässlich von denselben Partnern einzukaufen

Stabiles Preisniveau – also weg von extremen Preisschwankungen. Der Preisverfall in einer guten Ernte ist oft ebenso unverhältnismäßig wie die Preisexplosion bei einer knappen Ernte. Aus meiner Sicht ist das ein gewaltsamer Mechanismus, den ich gern durchbrechen möchte. Mit vielen unserer Lieferanten funktioniert das schon hervorragend.

Empathisches Wirtschaften – wir möchten nicht nur uns, sondern auch immer die anderen sehen. Wir denken und tragen mit – und verzichten in einem funktionierenden Miteinander auf Regressansprüche, Strafzahlungen und andere Gängeleien.

Als permanente Pioniere sehe ich es als unsere Aufgabe an, unsere Erfahrung und unser Wissen weiterzugeben. Dafür ist unser Bio-Marktplatz für uns von besonderer Bedeutung. Aber auch das Weitergehen, Innovationen und ein neues Wirtschaftsmodell schaffen – zum Wohle der Menschen und der Welt – ist etwas, das uns in unserem Tun antreibt. Hierzu braucht es Zeit, Geduld und Vertrauen. Die Basis dafür ist die langfristige und faire Partnerschaft mit unseren Lieferanten sowie die gegenseitige Unterstützung.
Grundsätzlich helfen wir unseren Lieferanten in der Umstellungsphase von Bio zu Demeter, indem wir bereits für die Umstellungsware einen höheren Preis bezahlen und auch die Kosten für die Anbau-Beratung übernehmen. Denn die Entwicklung zur Demeter-Landwirtschaft ist für uns seit jeher ein übergeordnetes Ziel.

Empathie ist für unseren Einkauf ein Schlüsselwort. Wie sich ein partnerschaftliches Miteinander langfristig zum effektiven Wirtschaftsmodell entwickelt, können wir immer wieder anhand von unterschiedlichen Beispielen erleben.

Möhren
Um dem niedersächsischen Ries-Hof von Hans Löhr in einer wirtschaftlichen Krisensituation zu helfen, hatten wir ihm im Vorjahr Frischmarktmöhren von hoher Qualität, aber mit äußerlichem Mangel, abgenommen – obwohl unsere geplante Pressung bereits abgeschlossen war. 2019 hatten nun wir einen Engpass bei der Möhrenpressung, bei der wiederum Hans Löhr uns geholfen hat – ohne unsere Bedarfssituation mit einem erhöhten Preis auszunutzen.

Holunderbeeren
Als wir im letzten Jahr auf unseren Anbaupartner für Äpfel und Holunder – Obsthof Cassens im Alten Land – mit dem Anliegen zugingen, den Preis für Bioland-Holunderbeeren etwas zu senken, weil Holundersaft bei uns seit Jahren eine leichte Unterdeckung aufweist, bat er davon abzusehen. Er hatte durch Frost in der Apfelblüte gerade einen Ernteausfall von 70 Prozent zu überstehen.
Kurzerhand entschlossen wir uns, dass der Partner statt des gewünschten niedrigeren einen höheren Preis für den Holunder bekommen solle, um seinen Ausfall bei den Äpfeln etwas abzufedern.

Himbeeren
Gefrorene Bio-Himbeeren sind teuer, der Energieaufwand hoch und die Beladung der Transportfässer körperlich hart. Nach einigen guten Gesprächen mit unserem polnischen Himbeer-Lieferanten Bioconcept Gardenia haben wir uns deshalb entschieden, hier einen für uns neuen Weg zu gehen. Zukünftig werden unsere Bio-Himbeeren in Polen als Maische in Tankzüge gefüllt und so gekühlt und nicht gefroren zu uns nach Pevestorf geliefert. Das ist sinnvoll in Sachen CO2-, Abfall- und Energieersparnis, finanziell ausgewogener und erfordert weit weniger harte körperliche Arbeit als es bei den gefrorenen Himbeeren der Fall ist. Die Basis für diesen Weg ist Vertrauen. Aufgrund unseres langjährigen, partnerschaftlichen Verhältnisses und unserem steten Dialog auf Augenhöhe haben wir dies – ein gutes Gefühl, mit empathischem Wirtschaften an den Punkt einer Geschäftsbeziehung zu kommen, an dem das gegenseitige Vertrauen so groß ist, dass auf eine 100 Prozent-Kontrolle guten Gewissens verzichtet werden kann.

Schwarze Johannisbeeren
Bei den Schwarzen Johannisbeeren waren im Vorjahr unsere Lieferanten bei der Umstellung zu Demeter in Vorleistung gegangen, woraus sich eine schwierige wirtschaftliche Situation ergab. Die polnische Ernte war nämlich sehr gut, die Preise sanken. Unsere Demeter-Anbaupartner in Deutschland brauchten aber einen deutlich höheren Preis, als er in Polen aufgerufen wurde.
Durch gute Gespräche und eine sehr hohe Beziehungsqualität konnten wir eine für alle Seiten akzeptable Preislösung finden, die sich am Ende in der Mitte fand und damit drei Mal höher lag, als die Preise anderswo aufgerufen wurden.
2019 bewährte sich nun die gute Partnerschaft. Die Schwarzen Johannisbeeren hatten Frost in der Blüte und wurden anschließend von der extremen Trockenheit geplagt. Wie auch die anderen Obsthöfe mussten auch unsere Anbaupartner für Demeter-Johannisbeeren starke Ausfälle verbuchen. Weniger Ware bedeutet in der freien Wirtschaft immer einen höheren Preis. Nicht aber so bei unseren empathischen Geschäftsbeziehungen. Unsere Anbaupartner belieferten uns mit ihrer Ware zum Vorjahrespreis. Dabei hätten sie sie wohl zum deutlich höheren Kurs an andere verkaufen können.

Wir sind der Meinung: Eine wirklich ökologische Landwirtschaft muss auch im sozialen Miteinander Niederschlag finden. Die klassischen Marktmechanismen sind krankhaft ausgeartet und nicht geeignet, zukunftsfähige Strukturen hervorzubringen. Sie sind auf Kampf ausgelegt. Jeder versucht, für sich das Beste rauszuholen. Es braucht ein neues Denken und Handeln in allen Lebensfeldern.

Wir sind weit davon entfernt, zufrieden zu sein mit dem Erreichten. Aber wir haben uns auf den Weg gemacht!“



Kommentare

2 Antworten zu “Gesunde Lebensmittel aus gesunden Strukturen”

  1. Punke sagt:

    Liebes Voelkel Team,
    hervorragend! So stelle ich mir die Zukunft vor? !
    Machen Sie weiter so und viel Erfolg und Freude in Ihrem Geschäftsfeld!
    Mit freundlichen Grüßen
    Manuela Punke

  2. Reimo : Kochwatsch BioBrunnen/Nimbus e.V. sagt:

    „Die Gewalt in der Welt ist struktureller Natur und findet sich in zynischen Marktmechanismen und einer gewissen Grunddenke wieder. Wir möchten diese durchbrechen – mit schriftlichen Verträgen und langfristigem Vertrauen. Exemplarisch soll ein anderes Wirtschaftsmodell entstehen – nach dem Prinzip des empathischen Wirtschaftens und der Pflege gesunder Strukturen.“

    – Boris Voelkel –
    sehr gehrte Voelkelaner,
    genau deswegen ist es um so unverständlicher, dass Sie die Zusammenarbeit mit Atilla Hildmann beendet haben. Das war ein Schlag gegen viele, mit Sicherheit vor allem kleine Ladner wie uns, bei denen die Daisho Getränke sehr gut liefen. Für mich ist das ein herber Umsatzverlust. Und es ist der Beweis, dass auch in der BioBranche Lobbyismus eingekehrt ist. Es ist traurig, zu sehen, was in dieser immer offensichtlicher werdend „[inszenierten] Krise“, abläuft. Und in dem Fall lag dann A. Hildmann wohl richtig. Ja, auch für mich war er zu aggressiv in seinen Argumenten, doch hat das eventuell auch damit zu tun, dass derartige Reaktionen wie das Herausnehmen der Produkte und Einstellen der Zusammenarbeit durch Ihr Haus dieses noch befeuret haben könnten? Dann wird interessant, wem Sie noch in die Augen schauen können, denn diese verdeckt der Maulkorb nicht.
    Das es eine gesellschaftliche Wandel hierzulande geben muß, da bin ich 100 % bei Ihnen.

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